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KOLUMNE: Über den Mann aus meinem Viertel

fiftyfifty Düsseldorf

Er ist klein. Er hat eine langen grauen Bart. Er ist immer freundlich. Er lächelt viel. Er hat immer was zu erzählen. Er ist der Mann aus meinem Viertel und wenn ich ihn manchmal eine Woche nicht sehe, sorge ich mich fast. Ich kenne ihn nicht wirklich, weiß nicht seinen Namen. Aber manchmal schnacken wir. Oft denke ich darüber nach, was in seinem Leben schon so alles passiert ist, wie es ihm geht und ob er glücklich ist.

Der kleine Mann aus meinem Viertel hätte allen Grund öfter mal traurig zu sein oder nicht zu lachen. Er steht meist in einem kleinen Einkaufscenter bei mir um die Ecke und verkauft das Magazin fifty fifty. Das ist ein Obdachlosen-Magazin, bei dessen Verkauf 0,95 Cent an den Obdachlosen selbst gehen. Kennt ihr bestimmt. Ich kaufe diese Magazine eigentlich immer. Auch wenn ich oft nicht zum Lesen komme, aber ich finde diese Idee einfach bombastisch gut. In Hamburg habe ich diese Magazine auch dauernd gekauft, ich hätte die WG-Toilette damit tapezieren könne.

Aktuell zeigt das fifty fifty Magazin übrigens eine spannende Kampagne mit Anzeigen rund um das Thema Obdachlosigkeit. Unbedingt reinschauen, total gut gemacht. Ich denke so ein bisschen Kleingeld haben die meisten von uns übrig, oder?;-)fiftyfifty-Obdachlosenmagazin-Düsseldorf-outofhome

fiftyfifty_Obachlosenmagazin_düsseldorfLetzte Woche bin ich mit meinen vollen Einkaufstaschen total gestresst an meinem Viertel-Freund vorbeigezogen.  Wir haben uns angegrinst und gegrüßt. Ich bin so schnell weiter, weil ich kein Kleingeld hatte. Aber irgendwie sah er trauriger aus als sonst.

Am nächsten Baum habe ich angehalten und meine Einkaufstaschen dagegen geknallt. Verdammt, dachte ich, schimpfend mit mir selbst, jetzt schau halt wenigstens nach, ob du nicht noch irgendwo ’nen Euro hast. Ich war sauer, dass der Alltagsstress, den wir so oft haben uns nicht mal mehr Zeit für kleine Gesten lässt. Und ich war so voll gepackt, dass ich schnell nach Hause wollte. Ich wurde so traurig, als mir klar wurde, dass diese Vollgepackt-Sein, die Möglichkeit im Supermarkt zu kaufen, was man möchte, auch ein großes Glück ist.
Ich hatte kein Kleingeld, nur 10 Euro. Auch noch so blöd zu wechseln. Aber kein Grund nicht zurückzulaufen.

Und da war es wieder, das Lächeln des Mannes, als ich schnurstracks mit meinen Tüten auf ihn zu steppte. Und er hatte wieder keinen Grund zu lächeln. Heute lief das Geschäft schleppend.
„Ich hab heut noch nicht eine Zeitung verkauft, heute läuft’s schlecht. Auf wie viel darf ich raus geben?“
In diesem Moment habe ich ihn einfach nur angelächelt und bin gegangen.
Ob ihrs glaubt oder nicht, aber dieser Moment hat mich ziemlich glücklich gemacht.

eure amy

amyslove

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