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KOLUMNE: Ich, der alte Mann und …

… das Meer! Hach, wie schön diese Geschichte wäre, würde sie so gehen:
Eines Tages rannte ich mit meiner Yogamatte unter dem Arm aus dem Haus und stieß an der Straßenecke mit einem alten freundlichen Mann zusammen. Sein Rollator fiel auf den Gehweg. Ich entschuldigte mich und half dem Mann wieder auf die Beine.
„Hach, Fräulein, wissen Sie was, das macht gar nichts, ich lebe ja noch.“
„Na, gott sei Dank“, sage ich. „Kann ich sonst noch was für Sie tun?“
„Ach, wissen sie, ich fahre ja schon lange kein Auto mehr, nur noch diesen Rollator, aber mein größer Wunsch ist es endlich noch mal das Meer zu sehen. Und von Düsseldorf aus ist es doch auch gar nicht weit.“
Ich klopfe dem alten Mann auf die Schulter, packe erst seinen Rollator in den Kofferraum meines alten Fiestas und dann ihn neben mir auf den Beifahrersitz. Wir fahren gemeinsam in Richtung Meer.Ja, das wäre eine schöne Geschichte und ich lese sie einfach noch mal, vielleicht wird sie dann wahr.

In Wirklichkeit war es aber leider so: Ich, der alte Mann und der Unfall …
Ich laufe aus dem Haus, meine Yogamatte unter dem Arm und bin auf dem Weg zur Yogastunde einer lieben Kollegin aus der Yogalehrer-Ausbildung. Ich will unbedingt zu ihrer Stunde, außerdem muss ich dringend auf die Matte! Ich komme an meinem Auto an und kann nicht raus fahren. Ein weißer Lieferwagen hat mich zu geparkt und steht mitten auf der Straße, quer vor meiner Schrottkarre. Ich laufe ins Geschäft gegenüber, der Übeltäter kann nur hier stecken. Nach mehrmaligem Nachfragen, lautem Hupen (ich hasse es wenn Menschen wahrlos hupen, aber sorry, YOGA) und gefühlt endloser Wartezeit kommt er endlich angeschlappt. Breit grinsend, natürlich. Ach, denke ich mir, wirklich ganz ruhig, mir doch egal, fahr halt weg. Tat er dann auch.  Ich lege den Rückwärtsgang rein, juhu, auf zum Yoga. Doch dann machts BÄÄÄÄM. Denn leider kam hinter dem Lieferwagen noch ein Mercedes. Neiiiiiin, ich will gar nicht aussteigen. Muss ich aber wohl. Und dann kommt er. Der Opi aus dem Mercedes. Er hat aber keinen Rollator (wäre auch schlecht im Mercedes) und lieb ist er auch nicht. Er brüllt:
„FRAUEN!!!! Also, FRAUEN sind das Allerletzte. Wie kann man den nur so BLÖÖÖÖD sein. Keine Frau auf dieser Welt kann Auto fahren! KEINE.“
„Entschuldigung, es tut mir wirklich leid. Abr ich fahre eigentlich schon ganz gut Auto.
„Nein, keine Frau kann fahren. Und ihrer Entschuldigung bringt mir auch nix! Was glauben sie denn, was das hier kosten wird?“
(Unmengen an Geld. Der Wahnsinn. Ich werde nie wieder ein normales Leben führen können. Pleite bis zu meinem 90. Geburtstag. Seine Lichter vorn sind kaputt, leichte Delle. Ich liebe diese Übertreibungen.)
„Ich habe eine Versicherung, machen sie sich keine Gedanken. Aber ich kann mich ja trotzdem entschuldigen.“
„Das vierte Mal in 3 Monaten. Ich war 30 Jahre lang bei der Polizei und ich kenne mich aus.“, schreit er.
Ich überlege kurz, ob er einfach Pech hat oder ich. Dann steigt seine Frau aus, die ihn eigentlich nur unterstützen und darin bekräftigen will, dass er lange Jahre ein regelkonformer und guter Polizist war. Doch die bekommt’s direkt auch mal ab.
„Alles deine Schuld, weil du immer so viel laberst! Hättest du in dem Laden eben nicht so lange gequatscht, dann wären wir längst weg gewesen. Und dann hätte es auch  nicht geknallt. Frauen dürfen einfach nicht ans Steuer, das war schon vor 30 Jahren so, als ich noch Polizist war. Und Frauen halten am besten die Klappe.“
Puh, ich bin fassungslos. Darüber das es geknallt hat, über meine Unachtsamkeit, über die Tatsache, dass er kaum laufen aber trotzdem Auto fahren kann und am allermeisten über seine Starrsinnigkeit und diesen Blödsinn, den er verzapft und wie er seine Frau behandelt.

Ein netter Mann, der die ganze Szenerie unfreiwillig oder vielleicht als Fernsehersatz mitbekommen hat, kommt zu mir rüber und legt mir nett die Hand auf die Schulter:
„Nicht ärgern lassen, der wird nicht mehr lange Auto fahren.“
Doch darum gehts natürlich gar nicht. Ich bin vielmehr schockiert über diese Beschimpfungen und diese Ungerechtigkeit. Niemand hat gerne einen Unfall, egal ob klitzeklein oder riesengroß. Jeder erschreckt sich. Muss man den anderen dann noch anschreien? Statt sich zu erkundigen, dass es allen gut geht? Es gibt nichts Schlimmeres: Jemand schreit dich an und du bist so fassungslos uns gelähmt, dass du nichts Passendes antworten kannst. Ich bin eigentlich nicht auf den Mund gefallen, aber ich stehe wie angewurzelt und entscheide mich für den Austausch der Adressdaten und schweige. Weil ich keine unschönen Dinge sagen möchte, außer:
„Schreien Sie mich doch bitte nicht so an, ich höre noch ganz gut!“

Und dann?
Dann bin ich nach oben in meine Wohnung gelaufen, habe nach einer Runde Wut-Heulen (kennt ihr das, wenn das so tief im Hals steckt??), die Versicherung angerufen, meine Yogamatte wieder auf den Rücken geschnallt, mich vorsichtig ins Auto gesetzt und bin zur nächsten Yogastunde gefahren.
War ich wütend? Nein, eher traurig. Nach meiner Yoga-Stunde und dem Aufschreiben der Geschichte ging’s mir besser. Es ist eine ganz gute Strategie, die Geschichte einmal anders zu Ende zu denken, als sie wirklich passiert ist.

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Kategorie: Kolumne

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Yoga und Meditation helfen mir jeden Tag dabei die beste Version meiner Selbst zu sein. Ich möchte dich dazu inspirieren, dein Leben auf den Kopf zu stellen und dich frei zu fühlen.

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