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Mein Tag als Spiderwoman

Ein entspannter Sonntagnachmittag sollte es werden. Es war der 16. März und diesen Tag werde ich wohl so schnell nicht mehr vergessen. Wir wollten eigentlich in eine Ausstellung von Gerhard Richter ins K20.  Die Ausstellung war leider schon vorbei, das ist jetzt schon zum zweiten Mal passiert, aber gut beim nächsten Mal. Es gibt ja noch mehr Mussen. Auf zu KIT, Kunst im Tunnel. Beim Öffnen der schweren Eingangstür lese ich das Schild: wegen Umbau bis April geschlossen. Arrh. Ok, dann gehen wir eben ins K21 Ständehaus Museum (leicht mit dem anderen K zu verwechseln, was etwas irreführend ist).

Foto 21

Im K 21 gibt es derzeit eine Rauminstallation des Künstlers Tomás Saraceno zu sehen, bei der man selber zum Rezipienten wird und sich im Kunstwerk bewegen kann. Klingt erstmal prima, sowas mag ich gern. Hat was von Action und Kunst und darüber nachdenken und geht weg vom langweilig verstaubten Museumsbesuch. „in orbit“ heißt das Projekt, bei dem der Künstler riesige Stahlnetze in drei Ebenen unter der Glaskuppel des Ständehaus aufgespannt hat. Was ich wohl die ganze Zeit überlesen, ignoriert oder in meinem naiven Leichtsinn so hingenommen habe, ist die Tatsache, dass sich das Netz in 25 Meter Höhe befindet. Hatte ich da ein Komma zwischen der zwei und der fünf hin illusioniert?

Während wir also mit vielen anderen Besuchern in der Schlange anstehen, wird es mir mulmig. Drei Jahre hat der Künstler zusammen mit Architekten, Ingenieuren und Biologen an seiner bisher aufwendigsten Installation gearbeitet. Ich lese zudem etwas von mutigen Rezipienten und der Konfrontation mit der eigenen Angst. Mir wird obermulmig als ich die Besucher, die immer in 10er Gruppen für zehn Minuten auf das Netz gelassen werden, beobachte. Manch einer bewegt sich wie auf dem Boden, läuft neugierig und wagemutig ein Netz höher. Andere jedoch bleiben förmlich am Eingang des Netzes kleben, setzen sich und kommen nicht weiter. Und natürlich schwingt so ein Netz auch, umso mehr Besucher sich darauf bewegen. Zum besseren Verständnis: Man bewegt sich mit einem geliehenen Anzug und Schuhen mit grobem Profil auf einer 2500 Quadratmeter großen  Netzstruktur und sieht unter sich 25 Meter nach unten auf den Eingang des Museums. Da laufen fröhlich die Besucher rum und verrrenken sich den Hals um nach oben zu schauen.

Wir sind an der Reihe. Ich habe nasse Finger und frage mich, warum wir nicht einfach mit dem Fahrrad an den Rhein gefahren sind oder etwas anderes Normales machen. Wir werden eingewiesen und erfahren, dass es nicht erlaubt ist zu laufen und zu rennen, Purzelbäume zu machen oder geschweige denn eine Kissenschlacht. An einer Stelle liegen mehrere weiße Kissen auf dem Netz. Ich schlüpfe in den Anzug und habe das Gefühl ich fliege gleich ins All.

Foto 2

Der Anzug sitzt, bei den geliehenen Schuhen muss ich kurzfristig an Fußpilz denken und dann steigen wir die Rampe hinauf als hätten wir gleich einen Auftritt als Blue Man Group. Die Frau vor mir geht mit dem ersten Schritt den sie aufs Netz macht auch gleich in die Knie. Kleiner Stau bei den Amateur-Trapezkünstlern. Ich habe vollstes Verständnis, bin aber vollständig mit mir selbst beschäftigt. Ich kann mich fortbewegen und meine Angst lässt mit der Zeit nach, aber mein Gefühl in der Magengegend bleibt angespannt. Man steht eben einfach mal auf einem dünnen Netz (an manchen Stellen laufen auch zwei Netze übereinander) und kann 25 Meter weit nach unten blicken. Ich wiederhole mich, weil ich es selbst beim Schreiben des Artikels immer noch nicht fassen kann.

Foto 43

Foto 3

Da ich die Hand meines Begleiters fassen bzw. kurzzeitig zerquetschen und pitschen kann, geht es. In der Mitte der Installation befinden sich wie gesagt weiße Kissen, die irgendwie an ein Bett erinnern sollen. Hier kann man sich tatsächlich hinlegen und kurz vergessen, was unter einem ist. Die riesigen luftgefüllten Kugeln zwischen den Netzten markieren die verschiedenen Ebenen, die man durch große Löcher in den Netzen erreicht bzw. wechseln kann.

Der Künstler selbst beschäftigt sich seit mehrern Jahren mit Spinnen und hat deren Verhalten des Netzbaus untersucht bzw. bis ins kleinste Detail analysiert. Im 4. Erdgeschoss befindet sich ein Raum, der an die Installation anknüpft und zwei große Spinnennetze zeigt, die mitten im Raum hängen. Ohne Glaskasten übrigens. Die Netze haben sich zeimlich groß weiterentwickelt und nur der beleuchtete Teil ist für die Zuschauer erkennbar. Die Spinnen werden alle drei Tage mit Fliegen gefüttert und die Netze mit Wasserdampf bestäubt. Die Museumswärterin erklärt mir stolz diesen Vorgang und die Pflege der Netze und ich frage mich was für bescheuerte Berufe es eigentlich noch gibt.

Foto 4

Wer also in der nächsten Zeit mal in Düsseldorf zu Besuch ist, sollte sich diese Ausstelung inklusive Herzklopfen und nassen Händen nicht entgehen lassen.

eure amy

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