Meine letzte Woche war ein Spießrutenlauf. Ok, ein kleiner. Ein Termin jagte den nächsten und ich lief irgendwie hinter mir selbst her. Und hinter allem anderen. Zu wenig Yoga hatte ich auch. Und die Aufregung meine erste öffentliche Yogastunde zu halten, lähmte mich zusätzlich. Neben unzähligen Telefonaten, Meetings, E-Mails und schlechten Nachrichten muss man sich auch mal was Gutes tun, dachte ich. Also auf in die Nachbarstadt zum Outdoor Filmfestival.
Verrückten und mutigen Menschen bei noch verrückteren Sachen zuschauen. Dem Longboarder, der die Sierra Nevada ohne Knieschützer auf diesem wackeligen Brett mit zwei Rollen nach unten in die Tiefe stürzt. Den Kletteren, die einfach mal ohne richtige Ausrüstung in Patagonien total abgefahrenes Gebirge erklimmen. Mit begeisterten Menschen um mich herum in einem großen Kinosaal.
Klingt gut. Hat nur eine Haken. Die Menschen waren scheinbar gar nicht begeistert. Kein „ah“ und „oh“. Kein „wow“. Nicht mal ein Applaus nach einem der insgesamt sechs Kurzfilme, die nicht nur mit Extremsportlern, sondern mit atemberaubenden Naturaufnahmen begeisterten. Kein Klatschen. Erst am Ende als ich anfange, mir die Hände aufeinander zu hauen, um meiner Enttäuschung über die geringe Begeisterung Luft zu machen. Und neben mir, der Mann des Abends. Wie immer. Weil komische Menschen oder sagen wir es frei heraus, die die eine Vollschacke haben, immer neben mir sitzen. Ich habe einen Magneten in meinem Körper, das muss so sein!
„Ahhh, ne, uhhh, da kann ich nicht hinschauen.“
„Ne, also das ist lebensmüde. Verrückt. Verrrrückt.“
„Aiiii, das geht nicht. Also, das kann man auch sein lassen.“ Ja, bei Minus 30 Grad Gebirge erklimmen, kann man sein lassen. Ebenso ohne Sauerstoff den K2 zu besteigen. Schon klar, aber das ist ja hier der Witz an der Sache. Das ist Inhalt des Films.
Er kommentiert alles. Jede Szene. Jede Bewegung. Und wenn er nicht kommentiert, meckert er. Lautstark.
„Also, diese Stühle. Die Zeiten in denen man darin sitzen konnte, sind auch vorbei.“
„Puh, das Bier war auch schon mal kühler.“
Am Anfang bin ich noch nett. Auf den ersten Satz des miesesten Miesepeters 2016 (kann das sein, dass man den schon in KW 3 trifft??) reagiere ich freundlich mit: „Ach. Mensch, wir können uns ja beide hinter meinem Schal verstecken“ und halte meinen Schwarz-Weiß gemusterten Lieblingsschal, der jedem Menschen gute Laune macht, vor seine Nase. Er schaut mich verstört an. Gut, denke ich, vergiss es, den bekommste heute Abend nicht mehr zur guter Laune. Der hat seine schon 1970 an der Kinokasse zusammen mit Charme und Freundlichkeit abgegeben. Ich überlege wo ich schnell einen „Du-bist-der-mieseste-Miesepeter-Orden“ herbekommen könnte.
Also, echauffiert er sich weiter über die Hauptdarsteller des Films. Und manch einer fragt sich, warum man dann zu einem Outdoor-Filmfestival geht. Ja, er wurde von seinen Freunden mitgenommen. Das wird mir in der Pause klar, als er unbedingt zu Mc Donalds muss. Könnte knapp werden, sagen die Freunde. „Ne, das wird nicht knapp, das muss jetzt sein, das hält man ja nicht aus hier!“ Ja, wirklich, das ist ganz schwer auszuhalten in einem beheizten Kinosaal.
Zurück quetscht er sich durch die Kinoreihe, trampelt auf meinen Fuß und sagt: „Ihr Fuß stand da im Weg“. Ja, ist mir auch schon aufgefallen. Diese Füße immer im Weg. Vor allem beim Sitzen stehen die einfach vor mir. Sachen gibt’s!
Nach der Pause stiert er eifersüchtig bei jeder Nuss meines Studentenfutters, die ich mir in den Mund schiebe, zu mir herüber. Aber wir sind keine Freunde mehr. Mein Kopf kann sich nicht nach links drehen, sonst vergesse ich mich.
Am Ende des Filmfestivals gibts eine kleine Verlosung. Bücher, DVD’s, sogar Abos für Zeitschriften. Dreimal dürft ihr raten, wer das Buch zum Festival gewonnen hat?
„Dabei hab ich nicht mal ne Karte ausgefüllt.“
„Ne, das hab ja ich für dich gemacht“, sagt der Freund.
„Also, du bist auch bescheuert!“
Ich möchte mir mein Haar nach vorne über den Kopf kämmen und eine Sonnenbrille drüber stülpen. Geht nicht, Haare sind ab. Kann jemand diese Woche zurück drehen?