Moritz Ulrich ist glücklicher Veganer, Mind & Body-Entrepreneur, Arzt, Mantra- und Musikliebhaber, Teil der internationalen Jivamukti Yoga Teacher Trainings und Co-Director der Jivamukti School Peace Yoga Berlin. Und er bietet online Harmonium- und Mantrakurse an, was ich sehr spannend finde. Definitiv eine spannende Persönlichkeit der deutschen Yogaszene und ein Lehrer, bei dem man mal auf der Matte gewesen sein sollte. Im Interview verrät Moritz, wie er zum Jivamukti gekommen ist, warum Musik schon immer eine große Rolle in seinem Leben spielt und wie wir uns als Lehrer überwinden können im Unterricht lauthals zu singen!
Moritz, du bist Advanced Certified Jivamukti Yoga Teacher, Arzt und leitest das Peace Yoga in Berlin. Wie hast du zum Yoga gefunden?
Ich war etwa 13 Jahre alt als ich das erste mal mit Yoga in Kontakt gekommen bin. Ich habe damals sehr viele Bücher über Übernatürliches und Esoterisches gelesen. Ich glaube, dass mich einfach alles interessiert hat, was nicht so leicht zu erklären ist – von Engeln, Handauflegen, bis hin zum Aufladen von Batterien mit Energiepyramiden und eben auch der Yogaphilosophie. Der körperliche Aspekt interessierte mich anfangs überhaupt nicht, der kam erst später hinzu. Ich war ehrlich gesagt sogar ein Sportmuffel. Und irgendwann mit 15 oder 16 war es dann so weit und ich besuchte meine erste Yogaklasse, von dort an war ich im Yogafieber!
Hast du dich direkt in die Jivamukti-Methode verliebt oder vorher andere Stile ausprobiert? Was ist für dich das Besondere an der Methode?
Ich habe sehr viele verschiedene Yogaklassen und Yogastile ausprobiert. Ich mochte es, alle verschiedenen Aspekte des Yogas kennenzulernen. Während meiner ersten Jivamukti Yogaklasse wusste ich allerdings sofort, dass ich hier tiefer einsteigen will. Die Kombination aus Musik, Singen, tollen Asana-Seqeunzen, den Hands-On Assists und der eingewobenen Yogaphilosophie war für mich die perfekte Mischung aus körperlicher, mentaler und emotionaler Forderung und Förderung. Kurz darauf durfte ich einige Klassen mit der Mitgründerin von Jivamukti Yoga, Sharon Gannon, besuchen und von da an war es um mich geschehen und meine Liebe zum Jivamukti Yoga entfacht.
Musik spielt im Jivamukti eine besondere Rolle. Kurz vor dem Interview bin ich auf ein Zitat von Oliver Sacks gestoßen: „Music can pierce the heart directly; it needs no meditation.“ Kannst du etwas zur Bedeutung von Musik im Jivamukti Yoga und für dich persönlich sagen?
Musik spielte in meinem Leben schon immer eine wichtige Rolle, sei es das Singen im Rundfunk-Kinderchor, Klavier-, Klarinetten- und Blockflötenunterricht oder viele Besuche von Konzerten, Opern und anderen musischen Events. Ich liebe Musik in all ihren Facetten. Musik transportiert für mich unglaublich viele Emotionen und das versuche ich auch mit meinen Playlists zu vermitteln (die man im übrigen alle auf Spotify unter meinem Namen finden kann). Für mich sollte Musik in Yogaklassen immer inspirieren. Was ich nicht mag, ist Hintergrundmusik wie im Fahrstuhl, dann lieber gar keine Musik. Etwas subtiler betrachtet ist Musik eine Form von Nada, das ist Sanskrit und steht für Klangschwingung. Alles besteht letztlich aus Vibrationen, die ganze Welt in uns und um uns herum.
„Yoga ist Einheit mit allem, also eigentlich ein im ‚Ein-Klang‘ sein mit sich und allen anderen Wesen.“
Du hast eine Plattform gegründet, auf der man das Harmoniumspielen lernen kann. Was sind die ersten Steps, wenn ich ein Harmonium besitze aber nicht das größte Musiktalent bin?
Der erste Schritt ist sich hinzusetzen und anzufangen zu spielen. Ich würde das Instrument an einem prominenten Ort in der Wohnung platzieren, so dass es einem jeden Tag ins Auge fällt. Um dann zu lernen, sich selbst beim Singen zu begleiten, halte ich es für den wichtigsten Schritt, erst mal zu singen. Dabei hilft es, das Mantra, was man sich ausgesucht hat, immer und immer wieder anzuhören und zu singen, so lange bis es in Fleisch und Blut übergegangen ist. So wird es später viel leichter das Harmonium dazu zu spielen. Genau in diesen einzelnen kleinen Schritten erkläre ich auch die zwölf Songs in meinem Online-Harmonium-Kurs.
Was ist dein Tipp für junge Lehrer, die sich nicht trauen in den ersten Yoga-Klassen zu chanten?
Sich zu fragen, warum. Was hält dich zurück zu singen? Ist es deine Stimme? Hast du Widerstände gegen die Bedeutung des Mantra? Hast du Sorge deine Schüler*innen mögen es nicht? Sich selbst diese Fragen zu stellen, ist der einzige Weg zur Wurzel dieser Situation vorzudringen und diese dann loslassen zu können.
„Außerdem würde ich den ganzen Tag Kirtan und Mantras hören und immer schön laut mitsingen – zu Hause, auf dem Fahrrad oder im Auto!“
Warum sind Chanten und Kirtansingen ein wichtiger Teil der spirituellen Praxis?
Wenn wir singen ist es schwer an irgendetwas anderes zu denken. Das ist schon mal ein großer Vorteil, weil unser Geist wenigstens nur auf eine Sache konzentriert ist und nicht auf Tausende gleichzeitig. Singen macht wissenschaftlich nachweisbar glücklich. Das Chanten in Sanskrit ist dann noch mal ganz besonders. Die Bedeutung von Sanskritworten liegt in ihrem Klang verborgen, d.h. durch das bloße Singen offenbart sich die tiefgehende Bedeutung. Außerdem verändern wir mit dem Singen sofort die Schwingung aller kleinen und großen Teilchen in uns und um uns herum. Wie Sri Brahmananda Sarasvati sagte:“Alle Moleküle fangen im gleichen Takt an zu tanzen”. Eine ganze wunderschöne Vorstellung, wie ich finde. Das Chanten fördert außerdem unsere Fähigkeit zuzuhören. Eine Fähigkeit, die wir als Yogis brauchen, um unter die Oberfläche von Dingen zu schauen bzw. zu hören.
In deinen Videos erklärst du das Prinzip des Bhakti-Yoga. Was gehört für dich zur Bhakti-Yogpraxis? Und wie können wir täglich Bhakti praktizieren ohne dabei auf die Matte zu müssen?
Bhakti bedeutet Demut oder Hingabe an Gott. Schon meine erste Yogalehrerin, Gitta Kistenmacher, sagte mir, dass Demut die wichtigste Eigenschaft eines Yogalehrers sei. Hingabe können wir in allen Situationen üben, sei es im Alltag oder auf der Yogamatte. Das Kirtan-Singen ist sicher eine der bekanntesten Bhakti-Yoga-Übungen. Ebenfalls sehr kraftvoll ist es, wenn wir unsere Speisen und Getränke gedanklich etwas Höherem widmen. Eine andere tägliche Praxis wäre es, Segenswünsche an andere zu senden, am besten direkt nach dem Aufwachen. Dafür kannst du einatmend wiederholen: Liebe, Segen und Dankbarkeit für… und ausatmend den Namen eines Wesens, dass dir in den Sinn kommt.
Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir gerne einen Bogen um das Wort Gott machen. Warum ist das so und wie erklärst du das Göttliche deinen Schülern?
Ja, das stimmt. Interessanterweise schreibe ich gerade an Artikeln, vielleicht wird daraus auch ein Buch genau zu diesem Thema. Ich glaube, das viele von uns eine vorgefertigte Meinung von Gott haben, sodass es schwer ist diese wieder loszulassen und mit neuen Ideen zu füllen. Das kann an unserer Erziehung liegen, an möglichen früheren Kirchenbesuchen oder ganz andere Gründe haben. Für mich ist das Göttliche unabdingbar im Yoga. Es ist für mich etwas, das in allem und jedem steckt, schon immer da war und immer da sein wird. Ich verwende gerne die alternativen Worte “Kosmisches, Höheres, Allumfassendes, Universelles etc.” Ich finde auch die Frage äußerst spannend, warum manche von uns so große Widerstände gegen das Wort oder auch schon die Idee von Gott haben.
Welches Buch liest du gerade?
Ich bin ehrlich, ich lese wirklich wenige Bücher. Wenn es um Romane geht dann ausschließlich Psychothriller, am liebsten von Sebastian Fitzek. Yogamäßig arbeite ich gerade viel mit der Bhagavad Gita von Winthrop Sargeant.
Wer oder was hat dich in diesem Jahr am meisten beeinflusst?
Ich habe in diesem Jahr ein Online-Coaching begonnen, das mich sehr beeinflusst hat, weil ich einige meiner eigenen Glaubenssätze auflösen konnte. Dee Hutchinson bietet dieses Programm an und ich kann es wirklich jedem empfehlen, der gerade in seinem Leben etwas verändern möchte oder das Gefühl hat, dass ihn irgendetwas zurückhält. Es ist kein direktes Yogaprogramm, aber bei genauem Hinsehen mit vielen yogischen Konzepten gespickt.
Lieben Dank an Moritz für das inspirierende Interview!
Fotocredit: Richard Pilnick