Heike Dittmers ist Jivamukti-Lehrerin (1000+) und zertifizierter Life-Coach. Sie hat mich als eine der wenigen Lehrer auf der Hamburger Yogakonferenz mit ihrer Natürlichkeit begeistert. In ihrer Klasse hatte ich am meisten das Gefühl angekommen zu sein, ich fühlte mich auf Anhieb wohl und konnte trotz Festival ganz in mein Yoga eintauchen. Danach haben wir ein kleines Insta-Live gemacht und ich war noch mehr überzeugt von Heike und ihrer Art. Im Interview sprechen wir über Jivamukti, ihre Arbeit als Fernsehjournalistin, ihre größten Lehrer und ihre mutige Überland-Reise nach Indien in den 90er Jahren.
Heike, ich habe deine Stunde auf der Yogakonferenz in Hamburg besucht und habe mich auf Anhieb bei dir sehr wohlgefühlt. Was tust du damit die Schüler sich bei dir zuhause fühlen, ankommen und wachsen können?
Das freut mich. Ich versuche in den Stunden so menschlich wie möglich zu sein. Eine Atmosphäre zu schaffen in der wir nebeneinander stehen. Es gibt dieses schöne Lied von Ton Steine Scherben in dem Rio Reiser singt: „Ich bin nicht unter dir, ich bin nicht über dir – ich bin neben dir.“ Das versuche ich rüberzubringen: ich stehe neben dir. Lass uns sein, wie wir sind und auch mal darüber lachen, wie komisch wir eigentlich manchmal handeln. Mein Anliegen ist es Gedankenanstöße zu geben und zu ermutigen. Dabei kann ich herausfordernd sein, aber immer mit einem herzlichen Ansatz.
„Hot, hip and holy“ – war das Motto deiner Stunde und darüber haben wir auch im anschließenden Insta-Live gesprochen. Magst du den Lesern das Prinzip erklären? Ich finde es so toll.
Ich auch! Es umfasst im Grunde wichtige Grundpfeiler der Yogaphilosophie.
Hot – ist Tapas. Disziplin und die Fähigkeit auch in schwierigen Situationen mal dran zu bleiben. Hier findest du meist die größten Learnings, das ist auch im echten Leben so.
Hip bezieht sich auf Swadhyaya – nach Innen zu gehen und im wahrsten Sinne des Wortes das Selbst zu studieren.
Holy – steht für Ishvana Pranidhana, die Hingabe an das Göttliche. An eine höhere Kraft. Sie führt über das Herz, das Fühlen.
Du hast als Fernsehjournalistin gearbeitet und warst begeistert von den Lebenswegen anderer Menschen. Wie bist du beim Yoga gelandet und was hat dazu geführt, dass du Lehrerin geworden bist?
Meine erste Yogastunde habe ich 1997 in Indien gemacht. Ich habe immer diesen Ruf verspürt: „Yoga ist gut für dich!“ Also fand ich mich in Varanasi auf einem Betonboden sitzend, ohne Yogamatte, eins zu eins mit einem Lehrer wieder und habe mich gefragt: „Was soll das bloß?“. So ging es jahrelang weiter. Ich habe alle möglichen Stile ausprobiert, es war ok, aber nie hat es mich begeistert. Irgendwann stolperte ich in ein Poweryogastudio. Die Lehrerin hat damals noch Jivamukti Yoga unterrichtet und ich war hooked. Genau das, was ich gesucht hatte: Musik, moderne Klassen, eine Verbindung zur Yogaphilosophie. Davon wollte ich sofort mehr erfahren und das wollte ich unbedingt auch weitergeben.
In den 90er Jahren bist du übers Land nach Indien gereist. Das klingt nach Abenteuer, Hippie-Trail und viel Mut. Wie kam es dazu, wie lange warst du unterwegs und was hat dich dieser Trip gelehrt?
Insgesamt waren wir (ich und mein damaliger Freund) ein Jahr unterwegs. Ein halbes Jahr haben wir Länder wie Rumänien, Bulgarien, die Türkei, Iran und Pakistan erkundet und ein halbes Jahr sind wir in Indien geblieben. Ich bin in einem sehr behüteten Dorf in Schleswig-Holstein aufgewachsen. Ein tolles Dorf, aber schon immer habe ich gedacht: das kann doch nicht die einzige Sicht auf das Leben gewesen sein. Ich muss noch andere Gedankenwelten entdecken. Also sind wir los. Ich wollte aus Umweltgründen nicht fliegen, also sind wir trampend und mit Bus und Bahn gefahren. Viele Strecken haben wir dann auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt. In Indien sind wir mit unseren Fahrrädern von Rajastan nach Karnataka getrampt. Wir haben sehr wenig hinterfragt und einfach gemacht.
Durch die Menschen, die wir getroffen haben, hat sich eins nach dem anderen ergeben. In Anatolien trafen wir einen Franzosen, der gerade über Land aus Indien zurückkam. Eigentlich wollten wir nach Sinai, aber das war schon damals über Land kaum möglich. Da dachte ich: Lass uns das doch auch machen.
Gelehrt hat mich der Trip vor allem fünf Dinge:
1. Es gibt immer eine Lösung, egal wie ausweglos die Situation erscheint.
2. Vertraue deiner Intuition, sie kennt den Weg.
3. Es gibt viele Arten die Wirklichkeit zu sehen und du kannst entscheiden, welche du wählst.
4. Freundlichkeit & Offenheit sind eine internationale Sprache.
5. Es ist viel mehr möglich, als du denkst, wenn du es einfach machst.
Wofür steht Jivamukti und was bedeutet dir die Methode?
Jiva steht für die individuelle Seeele und Mukti für Befreiung. Es ist eine Methode, die unfassbar fokussiert ist und dich an deine tief in dir liegende Kraft erinnert. Und auch daran, dass du sie nutzt in diesem Leben und nicht verplemperst. Das mag ich und deshalb begeistert mich diese Methode.
Sharon und David (meine Lehrer) haben mich daran erinnert: Yoga ist nicht etwas, was du konsumierst, sondern es unterstützt dich dabei dich von mentalen Mustern zu befreien und diese freigewordene Energie zum Wohle aller zu nutzen. Das ist Dharma in Aktion, unfassbar kraftvoll.
Was ich noch mag: Alle Lehrer sind sehr gut ausgebildet. Das zeichnet sich in einem hohen Standard im Unterricht aus. Und du bekommst immer spirituellen Input aus der Yogaphilosohpie und damit eine Erinnerung, was eigentlich dahinter steckt, wenn wir Asanas praktizieren. Mein Yogaweg hat mich mehr und mehr zum Coaching gebracht. Von der Gruppe zum individuellen Prozess. Ich will Menschen helfen ihre Bestimmung zu finden und ins Handeln zu kommen. Die Samen dazu hat Jivamukti gesetzt.
Du hast in der Stunde ein wunderbares Zitat von Rumi verwendet. Welche Bedeutung hat dieses Zitat für dich?
Ach dieses Zitat spricht mir aus der Seele. Bewerten ist menschlich, aber soviel Potenzial geht flöten, weil ständig diese innere Bewertung stattfindet. Wir bewerten uns und Andere. Das hemmt so viele Ideen und Inspirationen. Ich bin dafür, dass wir statt zu bewerten mehr der Frage nachgehen: Was möchte ich in diesem Moment kreieren? Und das fängt bei uns selbst an. Die Art und Weise wie wir mit uns sprechen. Wir haben uns Bewertung angewöhnt, das hängt auch mit unserer Sozialisierung zusammen. Jetzt ist es an der Zeit sie wieder abzugewöhnen, denn dadurch entstehen Räume. So wird Platz frei etwas bewusst zu erschaffen. Und stell dir mal vor, wenn wir die ganze Energie, die wir dabei verpulvern andere zu bewerten, mal umlenken würden.
„Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“ (Rumi)
Wie sieht dein Leben aus, wenn du nicht gerade Yoga unterrichtest?
Ich lebe mit meiner Familie in Hamburg. Das Coaching nimmt immer mehr Zeit ein, ich schreibe und verbringe möglichst viel Zeit in der Natur. Yoga übe ich meist täglich, am liebsten Mysore. Ganz still und nach innen gekehrt. Und ich lese unfassbar gern – meist Themen aus der Neurowissenschaft und dem Coaching.
Wer sind deine größten Lehrer?
Meine Familie – definitiv, vor 12 Jahren Mutter geworden zu sein, die Asanapraxis, die Natur, gute Freunde. Neben vielen Jivamukti-Lehrern: David Garrigues, Clive Sheridan, Marisa Peers, Elena Brower und viele mehr. Es sind alles Lehrer, die sehr dedicated sind und sich dabei selbst nicht zu wichtig nehmen. Und damit meine ich nicht, dass sie sich als Menschen nicht ernst nehmen. Eher, das sie als Lehrer eine demütige Haltung einnehmen.
Was liest du gerade?
Ich bin Buchjunkie und lese immer mehrere Bücher parallel: Becoming Supernatural, Atomic Habits & Worthy sind es zur Zeit.
Wer oder was inspiriert dich?
Viele Menschen und Naturwunder. Mantarochen beim Tauchen zu begegnen, einen 7000er zu sehen. Wir fahren demnächst nach Bali, da will ich mir auf jeden Fall die Green School anschauen, eine nachhaltige Schule, die von John Hardy gegründet wurde, solche Menschen finde ich spannend.
Was wünschst du dir?
Abenteuer, Leidenschaft, Liebe und dass jeder seine Gedankenwirbel ablegen kann und sein volles Potenzial lebt. Den Samen, der ihm mitgegeben wurde ordentlich gießt und zum Blühen bringt.
Alle Infos zu Heike, ihren Retreats und Coachings findet ihr auf ihrem Blog Yogarocks und auf http://www.heikedittmers.com
Fotocredit @gritswionia